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Celsissimus by Arthur Achleitner

Chapter 1 No.1

Die Fastnacht des Jahres 1588 sollte in Salzburgs Trinkstube mit einem gl?nzenden Fest, Schmaus und Tanz der Bürgergeschlechter gefeiert werden, dem beizuwohnen der junge Landesherr, Erzbischof Wolf Dietrich, in Gnaden der Bürgerdeputation versprochen hatte.

Demgem?? mu?te alles aufgeboten werden, das Fest so herrlich als in diesen Zeitl?ufen m?glich zu gestalten; der sonst beh?bige Bürgermeister Ludwig Alt hat diese hochwichtige Angelegenheit selbst in die Hand genommen und die Stadtr?te, vornehmlich seinen Bruder Wilhelm Alt, den Handelsherrn, um kr?ftige Unterstützung angegangen, wasma?en es gilt, dem prunkliebenden Fürsten ein seiner würdiges Fest darzubieten. Im Erzstift wu?te man m?nniglich, wie sehr sich Wolf Dietrich auf dergleichen versteht, sein Einritt im Herbst des vergangenen Jahres gab den Unterthanen hiervon einen Begriff, die unerh?rte Pracht, welche selbst der unbarmherzige Salzburger Regen nicht zu beeintr?chtigen vermochte, blendete nicht blo? Bauern und Bürger, sie verblüffte auch den Adel. Einem solchen kunstverst?ndigen, prunkliebenden Herrn ein Fest zu bieten, war daher keine leichte Aufgabe. Doch die Ratsherrn der Bischofstadt hatten hierzu den Willen, und die reichen Patrizier das n?tige Geld; man will dem Landesfürsten zeigen, da? auch die Bürger der Residenz sich auf üppige Feste verstehen.

So eifrig ist denn seit vielen Jahren nicht Rats gepflogen worden, als in der Zeit von Neujahr bis zum Fastnachtsfeste; man teilte die Arbeit, jeder Ratsherr erhielt sein Teil zugemessen.

Der hagere Handelsherr Wilhelm Alt, weitum bekannt durch seine kaufm?nnischen Talente, noch mehr aber durch seine sch?ne Tochter Salome, die als das herrlichste Gesch?pf Europas gepriesen ward, hatte die Fürsorge um das Mahl übernommen und konnte seiner Aufgabe gerecht werden, da ihm die Beihilfe seiner im Hauswesen tüchtigen grundgescheiten Tochter in jeder Weise wurde. Für Beschaffung erlesener Weine sorgte Rat Thalhammer, eine Weinzunge fürnehmer Art, geschult durch viele Reisen in Italien und Griechenland; ?Vater Puchner", der Z?pfler, hatte es übernommen, etwaigen Wünschen nach einem Trunk guten Salzburger Bieres gerecht zu werden. Martin Ho? mu?te die Musikanten besorgen und die Anleit zum Balle geben.

Andere Ratsmitglieder ordneten die Ausschmückung der R?umlichkeiten der Trinkstube, die auch als Gasthof zur Fremdenbeherbergung diente und gro?es Ansehen geno?, und schlie?lich ward für diesen Festabend eine besondere Kleiderordnung ausgegeben, nach welcher sich die m?nnliche Bürgerschaft zu richten hat, dieweilen das für die Weiberwelt nicht n?tig ist, denn diese wei? sich schon selber aufs sch?nste herauszuputzen.

Zu Fu? und vielfach nach welscher Art in S?nften waren die Honoratioren der Bischofstadt im Trinkhause erschienen, buntgeschmückt und erwartungsvoll. In einem Seitensaale neben der Tanzhalle versammelten sich Salzburgs Frauen und M?dchen, in einer Gruppe standen eifrig parlierend die Junker und jungen Bürgers?hne, die Ratsherren hielten den vorderen Teil des Hauptsaales besetzt, empfangsbereit und voll Erwartung bange murmelnd. Ein Teil der Bürgerschaft hingegen hatte rasch entdeckt, da? ein Schenktisch in einem Gemache hinter dem Festsaal steht, wohlbesetzt mit Zinnkrügen, Silberk?pfen, Kannen, Pokalen und Humpen, ja auch viel Majolikageschirr aus Welschland war vorhanden, und recht derb kontrastierten dagegen die h?lzernen Bierbitschen. Da? alle diese sch?nen Gef??e teils mit Wein, teils mit Gerstensaft gefüllt seien, hatten junge Leute bald los. Zwar lautet das Gebot, da? vor Tafelbeginn der Schenktisch nicht geplündert werden dürfe, doch von den gewaltigen Ratsherren war heut keiner um die Wege, die Aufw?rter fragte man nicht, und so schluckte so mancher aus den Gef??en, ohne lang zu fragen, ob es erlaubt und wessen der Inhalt sei. ?Was man hat, besitzt man!" gr?hlte ein junger Negotiator, und sein Beispiel wirkte aneifernd genug.

Im Hauptsaale, so sch?n und gro?artig, da? darin ein r?mischer Kaiser logieren k?nnte, war die Tafel, bedeckt mit schwerem Damast und goldenen wie silbernen Kannen, Bechern und Schüsseln, ausgestellt, wundersam zu beschauen auch ob der Schaugerichte, so da waren ein Pfau mit aufgeschlagenem Rade, der unvermeidliche Schweinskopf in reicher Garnierung, gewaltige Huchen und rotbetupfte Ferchen, auch Fasanen mit senkrecht aufragendem Sto?, und etliche Gebirge aus Zucker, darunter der Untersberg, aus dessen Quellen Wei?wein als Bergbrünnlein herniederrieselten.

Lustige Weisen der Zinkenbl?ser und Posaunisten, dazu Trommelwirbel und Schellengeklingel t?nten von der Galerie herab, den buntgeschmückten Festg?sten die Wartezeit bis zum Beginn zu verkürzen, doch h?rte man nicht viel auf die lockende, bald leise schwirrende, bald wieder grell l?rmende Musik. Die Weiber hatten Besseres, Wichtigeres zu thun im Mustern der Kleider von Freundinnen, im schauen und kritisieren, und der Anblick, den Salome Alt, des Kaufherrn bildsch?ne Tochter bot, versetzte die anwesende Frauenwelt in eine Erregung, die sich in Rufen des Erstaunens, im Gemurmel und Tuscheln grimmigsten Neides ?u?erte.

Salome, ein M?dchen mittlerer Gr??e von kaum zwanzig Lenzen, war soeben in den für die Frauen reservierten Raum getreten; l?chelnd begrü?te sie die Damen, nickte den M?dchen zu und schritt langsam zur Bürgermeisterin, die sich ob der Pracht solcher Kleidung nicht zu fassen wu?te, wiewohl sie wahrlich wei?, da? Salome über Prachtgew?nder dank der Freigebigkeit des Vaters zu verfügen hat. Ein bezaubernder Liebreiz ist über das runde Madonnenantlitz des M?dchens ausgegossen, der schlanke Wuchs weist das herrlichste Ebenma? auf mit einer Fülle reizendster Formen, die ein M?nnerauge in hellstes Entzücken versetzen mu?. Blendend wei? die reine Stirne, von blonden L?ckchen umrahmt, die Z?hnchen schimmernd gleich Perlen, das goldige Haar aufleuchtend im Licht der vielen Kerzen, Kinderaugen lieb und rein, rundes Kinn, ein Wesen so sanft, unschuldsvoll und lockend, und dennoch bescheidener Art, die es vermeidet, das eigene sch?ne Ich irgendwie in den Vordergrund zu dr?ngen. Ein leises Rot liegt wie angehaucht auf Salomes zarten Wangen, ein L?cheln inneren Triumphes auf den leicht ge?ffneten Lippen. Fürstlich mu? die Erscheinung des M?dchens genannt werden im weiten blauen, mit N?rzpelz gefütterten Atlasrock, besetzt mit goldenen und silbernen Schnüren, um den Hals eine vierfache Perlenkette, am Halsausschnitt die steife Spitzenkrause, die ?rmel verbr?mt mit golddurchwirktem Tuch.

?Gott zum Gru?, liebwerte Muhme!" lispelte Salome und erwies der

Bürgermeisterin gebührende Reverenz.

Frau Alt brachte den Mund nicht zu vor überraschung und mu?te erst verschnaufen, bis sie zu stammeln vermochte: ?Salome! Wie eine Fürstin siehst du aus! Gott straf' mich peinlich, so dein Rock nicht die fünfhundert Lot Perlen hat und in die tausend Thaler kostet!"

?Gef?llt Euch das Kleid nicht? Das th?t' mich schmerzen, der gute Vater ist zufrieden, und das macht mich immer glücklich!"

?Schon, gewi? auch! Aber Perlen, so viel Perlen für eine junge Maid! Das ist zu viel des Guten, Kind! Und Perlen bringen dereinst Z?hren, das hat mein Ahnl schon gesagt!"

?Des will ich warten, Muhme!" lachte silberhell die sch?ne Salome, ?ich habe Zeit und fürchte mich nicht davor. Doch wenn Ihr verlaubet, will die anderen Frauen ich begrü?en!"

Indes Salome einer Fürstin gleich und doch bürgerlich bescheiden den Frauen zuschritt, ward es immer lauter am Schenktisch drüben, wo der hastig geschluckte starke Südwein die Geister bereits zu entfesseln begann, und sowohl Stadtrat Thalhammer wie der ob seines Festbieres besorgte Vater Puchner herbeigeeilt waren, um weiteren Beraubungen der Getr?nkevorr?te vorzubeugen. Ihr Veto und der Hinweis, da? die k?stlichen Weine für das fürstliche Gefolge, nicht aber für Schmarotzer bestimmt seien, rief lebhaften Protest der naschhaften Bürgers?hne hervor, und besonders der noch ziemlich jugendliche Ratssohn Lechner opponierte lauter als schicklich war, gegen sothane Bemutterung. ?Festg?ste sind wir alle und in der Trinkstube zum trinken da, es bleibt sich gleich, ob wir unser Deputat vor oder erst nach dem Mahle trinken. Und auf diesen Wein wird der Fürst wohl nicht reflektieren, der hat besseren Tropfen im Keller des Keutschachhofes, besseren, sag' ich, als dieser Raifel, und der H?pfwein gar, der hat einen Stich!"

Nun war es zu Ende mit der Ruhe Thalhammers, den eine Verschimpfung von Weinen, die seine Zunge als fürtrefflich erkieset, beleidigte. ?Die Pest hat er, so diese Weine stichig sind! Sauf' er Wasser vom Gerhardsberg, das giebt Ihm den Verstand wieder, so einer überhaupt vorhanden war! Und die Rumorknechte schick' ich ihm auf den Hals!"

?Die la?t nur hübsch zu Hause! Wir sind in unserer Trinkstube, die ist st?dtisch und geh?rt uns Bürgern! Wollt Ihr beten, geht in den Dom, ist Platz genug darin, für Euch und den Erzbischof!"

?Wollt Ihr gleich stille sein!" mischte sich Vater Puchner dazwischen, dem nicht ganz wohl ward bei so respektwidriger Erw?hnung des noch dazu eben erwarteten Landesfürsten. ?Wollet Ihr gr?hlen, wartet bessere Gelegenheit ab! Kein Wort aber mehr über den erleuchteten erlauchten Herrn!"

Dem Lechner sa? der Weinteufel aber schon im Gehirn und er polterte unbekümmert los: ?Erleuchtet, hehe! Der neue Herr mit dem seltsam Wappen! Wi?t Ihr, Bierwanst, was der W?lfen Dieter im Schilde führt? Ich will es Euch sagen: eine schwarze Kugel im wei?en Felde! Das ist die Finsternis! Wir werden es noch erleben, ein Wetter wird gehen über das Erzstift! Bringt Euren Schmeerbauch zu rechten Zeiten weg, der Erlauchte k?nnte Euch darauftreten, da? Ihr zwillt!"

Bestürzt rief Rat Thalhammer: ?Haltet ein, Ihr schw?tzt Euch um den Kopf! Der neue Herr vergeht keinen Spa? von solcher Seite und l??t uns entgelten, was der Weindunst aus Euch spricht!"

Grimmig pfauchte Lechner: ?So la?t Euch auf den K?pfen tanzen, da? es staubt, Ihr Memmen! Ich fürcht' ihn nicht, den W?lfen Dieter samt seinen Degen! Haha! Ein Kirchenfürst, der spanisch herumstolziert gleich einem geckenhaften Junker!"

L?rmender Tusch unterbrach diese Scene; auf ein Zeichen des

Bürgermeisters hatten die Musikanten eingeht, den ins Haus getretenen

Landesherrn anzublasen.

Die mit Tannengrün und den Farben Salzburgs geschmückte Treppe herauf stieg Wolf Dietrich, gefolgt von den Würdentr?gern seines Hofes. Der Gestalt nach war der Erzbischof und Landesfürst schm?chtig, fast klein zu nennen, unsch?n die Züge seines Gesichtes mit kleinen, doch lebhaften Augen, deren Blick es jedoch verstand, sich Respekt zu verschaffen und den keiner auf die Dauer aushielt. Eine Unruhe lagerte über diesem Antlitz, ein Gedankenreichtum, etwas undefinierbar Gewaltiges, jeden Augenblick bereit, überraschend loszubrechen. Kaum drei?igj?hrig ging von diesem Manne ein Wille aus, der an die Vollkraft des reifen Mannes, an eine unbeugsame Willensst?rke gemahnte, die Gestalt Wolf Dietrichs atmete Hochmut, trotz der kleinen Erscheinung, und gemahnte keineswegs an einen duldsamen Kirchenfürsten. Aristokrat von der Sohle bis zum Scheitel vereinigte Wolf Dietrich die Eigenschaften schw?bischen und lombardischen Blutes in sich; ein frischer, junger Mann ?geschwinden Sinnes und Verstandes und auch hohen Geistes", der infolge seiner Studien im collegium Germanicum zu Rom, seiner Erziehung im Palazzo seines Oheims Marx Dietrich von Hohenems, als Gro?neffe des regierenden Papstes, an Bildung den Landadel turmhoch überragte und sechs Sprachen beherrschte.

Wolf Dietrich trug spanische Tracht, den Federhut, wie ihn Rudolf II. liebte, das Rappier stets an der Seite, wenn er nicht des Chorrocks und Baretts ben?tigte, und einen kostbaren schwarzen Mantel um die Schultern geschlagen. In dieser Kleidung war der schw?bische Landjunker von Raittenau am Bodensee sicher nicht zu erkennen, und der mit 29 Jahren zum Fürst-Erzbischof vom Stifte Salzburg erw?hlte Herr von Raittenau liebte es auch nicht, an seine schw?bische Abkunft erinnert zu werden, wiewohl die Kriegsthaten des Vaters Hans Werner ruhmreich genug gewesen. Seine Mutter Helena war eine Nichte Pius' IV. aus dem Geschlechte der Hohenems, ihr mediz?isches Blut wallte in Wolf Dietrich hei? und stürmisch auf zu Rom wie - verspürbar allenthalben zu Salzburg.

Mit dem ihm eigenen stechenden Blicke musterte Wolf Dietrich die Dekoration im Treppenhause und stieg langsam empor, haltmachend vor dem in tiefster Verbeugung gehenden Bürgermeister Alt, der ehrerbietigst Seine Hochfürstliche Gnaden begrü?te, ohne den gekrümmten Rücken zu heben, und den Willkomm gleichzeitig mit dem Dank für das huldvolle Erscheinen des gn?digen Fürsten stammelte.

Ein hochmütiger Blick flog über des Bürgermeisters Rücken hinweg zu den Saalthüren, durch welche heller Kerzenschimmer herausflutete, es schien, als suchten Wolf Dietrichs Augen eine bestimmte Peinlichkeit.

?So m?gen denn Ew. Hochfürstliche Gnaden geruhen, den Schritt zu setzen in das vor Freude erzitternde Haus bemeldter Stadt, die das Glück hat...."

?Will nicht hoffen! Liebe ?zitternde' H?user nicht! Soll ich aber den Fu? in den Saal setzen, mag Er Raum dazu geben!" sprach ironisch l?chelnd der junge Fürst, worauf sich der Bürgermeister erschrocken mit seinem gutgen?hrten B?uchlein an die Stiegenmauer drückte. Wolf Dietrich schritt an ihm vorüber, und Alt wollte eben dem Fürsten folgen, da drückte ihn die energische Hand des Kammerherrn hinweg, das fürstliche Gefolge blieb dem Gebieter auf den Fersen. Bis auch noch die Edelknaben die Stiege vollends erklommen hatten, war Wolf Dietrich l?ngst im Hauptsaal angelangt, und der Bürgermeister stand verdutzt an der Stiegenmauer.

Die Stadtr?te beugten sich wie ein ?hrenfeld im Winde vor dem Gebieter, dessen Feueraugen indes nach dem Frauengemach schielten, und mit ebenso überraschender wie gewinnender Liebenswürdigkeit sprach Wolf Dietrich: ?Meinen Dank allen für den freundlichen Empfang! Doch ich bitte, zuerst die Damen! Nicht will ich die Ursache sein einer Verz?gerung, und Frauen soll man niemals warten lassen!"

Auf einen Wink des Fürsten schritt der K?mmerling an die offene Thür des

Frauenwartegemaches und sprach: ?Seine Hochfürstliche Gnaden lassen die

Damen bitten, in den gro?en Saal zu treten!"

Scheu und doch neugierig, geschmeichelt und doch ?ngstlich zugleich wollte von den Frauen keine vortreten, und für die jungen M?dchen schickte sich ein Vortritt überhaupt nicht.

?Nicht um die Welt und Gastein dazu geh' ich voraus!" wisperte die verdatterte Bürgermeisterin in einer schier unüberwindbaren Scheu vor dem Auge Wolf Dietrichs. Um aber an der Ehre des Vortrittes doch einigerma?en Anteil zu haben, auf da? sothane Ehre in der Verwandtschaft bleibe, gab Frau Alt der Nichte Salome einen ebenso freundlichen wie verst?ndlichen Sto? mit der kn?cherigen Faust und tuschelte dazu: ?Geh du voraus, dein Kleid vertr?gt es!"

?Wenn Ihr glaubt, Muhme, ich fürchte mich nicht und wü?te auch keinen Grund zu Angst und Sorge!" erwiderte leise die sch?ne Salome, und schritt durch die offene Thür in den Hauptsaal; hinterdrein zappelten nun die Frauen und T?chter und guckten sich die Augen und H?lse wund nach dem jungen Fürsten in der spanischen Tracht.

Noch ehe Salome die Lippen ge?ffnet, um den Dank von Salzburgs Damen für das gn?dige Erscheinen des Landesherrn darzubringen, war Wolf Dietrich in seiner impulsiven Art dem sch?nen Fr?ulein entgegengegangen, und lebhaft rief der Fürst: ?Ah, welches Glück lacht mir entgegen, des Festes K?nigin erscheint, und sie wolle auch meine Huldigung entgegennehmen!" Mit eleganter Wendung griff Wolf Dietrich nach dem zierlichen H?ndchen Salomes und drückte galant die Lippen darauf.

?Hochfürstliche Gnaden!" stammelte überrascht die sch?ne Salome und wollte die Hand zurückziehen.

?Nicht doch, bellissima! Gew?hrt die Gnade, da? des Stiftes Salzburg Herr der Sch?nheit huldigt! Euren Arm, Donna, und nun wollen wir geruhen, das Fest zu er?ffnen!"

Salome hatte sich gefa?t, die chevalereske Huldigung schmeichelte ihrem Sinn wie die offenkundige Auszeichnung; Salome wu?te, da? sie strahlend sch?n, begehrenswert wie keine zweite Dame unter Salzburgs M?dchen ist, und in diesem Triumph legte das Fr?ulein, holdselig l?chelnd, den vollen runden Arm in jenen des jungen Fürsten. Das Paar schritt nun durch den Saal, die Musikanten spielten eine flotte Weise dazu, die überraschten Patrizier und deren Frauen, S?hne und T?chter thaten das klügste, indem sie sich paarweise anschlossen und in der Ronde hinterdrein schritten. Gelegenheit zum schw?tzen war dabei reichlich genug vorhanden, die Mündchen der Damen schnurrten wie Spinnr?dchen. Neues genug bringt der neue Herr in alle Kreise. Ohne vorherigen Cercle ein Fest zu er?ffnen, sich ein Fr?ulein herauszufischen, und das zur Festesk?nigin erküren und auszurufen, welch neues, ungew?hnliches Vorgehen! Wenn der Fürst da doch wenigstens die eigene Tochter herausgefischt h?tte! Aber so schlankweg die Salome Alt, die ohnehin sich geriert, als stamme sie aus fürstlichem Geblüt! Es mu? ihr ja der Neid lassen, da? sie sch?n ist, hübscher als alle andere, aber weil das unbestreitbare Thatsache ist, w?re es besser, wenn sich die Alt-Tochter mehr im Hintergrund verhielte! Und dieser fabelhafte Luxus in der Kleidung! Eine Prinzessin hat kaum so viel Perlen zu tragen!

Salomes Vater, Herr Wilhelm Alt, war mit sich selber nicht recht einig, als er mit der Schw?gerin, der Muhme Salomes, dahinschritt. Die seiner Tochter widerfahrene Auszeichnung schmeichelte zum Teil ja gewi? auch dem Vater, besonders da Wolf Dietrichs Art sonst hochmütig ist und der junge Gebieter viel auf h?fische Formen h?lt. Aber eben die so pl?tzliche Durchbrechung der Etikette will dem stolzen Kaufherrn nicht gefallen, sie verletzt durch ihre Au?erordentlichkeit. Einem Stachel gleich wirkt auch die von Wilhelm Alt wohl beobachtete Scene, wie der Bruder-Bürgermeister von den Herren des fürstlichen Gefolges an die Stiegenwand gedrückt wurde; die Hofschranzen nehmen sich in ihrem übermut zu viel heraus, der Bürgerstolz ist verletzt und stolz waren die Salzburger Patrizier von jeher. Was aber thun in diesem ungew?hnlichen Falle? Es ist nicht opportun, als Vater hinzutreten und dem Fürsten die Tochter aus dem Arm zu rei?en.

Die Muhme-Schw?gerin trippelte an Wilhelm Alts Seite, schwelgend in Glückseligkeit. Von dem ihrem Gatten widerfahrenen Affront hat sie keine Ahnung, sie hat nur die beglückende Auszeichnung ihrer Nichte durch den stolzen Landesherrn wahrgenommen, mit eigenen Augen gesehen, wie der Gebieter die Hand Salomes gekü?t, als w?re die Nichte eine wahrhaftige Prinzessin. Welches Glück, welche Auszeichnung für Salome, für die ganze Familie Alt! Die Muhme sieht die Zukunft in rosigem Lichte. Wer wei?, welche Auszeichnungen ein Verkehr mit dem fürstlichen Hofe, mit dem Erzbischof noch bringen kann! Hat doch Wolf Dietrich die besten Beziehungen zum Vatikan! Verwandt mit Seiner Heiligkeit! Ihn kann es nur ein Wort kosten, und die Muhme erh?lt den p?pstlichen Segen separat, nur für sich! Die Bürgermeisterin erschrak in Gedanken vor der Kühnheit ihrer Hoffnungen, sie erinnerte sich, da? der Gemahl nichts weniger denn solche r?mische Aspirationen hegt und seine Behaglichkeit h?her sch?tzt als Fürstengunst. Wenn es sich aber heimlich bewerkstelligen lie?e, alles und just das brauchte der Bürgermeister ja nicht zu wissen, - der Muhme schwindelte vor diesem Gedanken und unwillkürlich stützte sie sich fester auf den Arm des Schwagers.

Wer sich am Rundgang nicht beteiligt hatte, die jüngeren Bürger, Junker, auch die Plünderer des Schenktisches, hatten sich an der Saalwand aufgestellt und bildeten eine Gruppe in der Ecke, zu welcher sich der gründlich vergr?mte Bürgermeister Alt gesellte, dessen Blicke nicht viel Gutes zu künden schienen. Manches bissige Wort über den Fürsten und sein Charmieren mit Salome fiel in dieser Gruppe, und der Bürgermeister wehrte dessen nicht. In ihm kochte es, die Behandlung auf der Treppe hat sein Blut erhitzt. Nicht minder ?rgert es Alt, da? sein Eheweib an des Bruders Seite ersichtlich verkl?rt, schwimmend in Glückseligkeit, hinterdrein trippelt und durch dieses alberne Nachlaufen das fürstliche Karessieren gewisserma?en sanktioniert. Bürgermeister Alt knurrte: ?Dumme Gans! Und Wilhelm k?nnte auch etwas Besseres thun, als mit der alten Schachtel hinterdrein zu laufen!"

Einer der Jungen, die vom Südwein zu viel erwischten, kr?hte mit heiserer Stimme: ?Guckt ihn an, den Erzbischof, der t?nzelt wie ein spanischer Junker!"

Und ein anderer, dessen Augen bereits gl?sern geworden, brachte schluckend heraus: ?Fein - wird-'s im E-e-er-z-st-st-stift!"

Inzwischen war Wolf Dietrich mit Salome an diese Gruppe herangekommen; der Fürst winkte der Musik, die mit einer Dissonanz j?h abbrach, und sprach, seine Dame im Arm behaltend, den Bürgermeister mit vollendeter Liebenswürdigkeit und Herablassung wohlwollend an: ?Lieber Alt! Niente di male! Ihr verzeiht mir wohl, da? ich im Banne der Sch?nheit auf Eure Meldung und Unordnung nicht gewartet, das Fest mit der K?nigin in persona er?ffnet habe. Salzburgs sch?nste M?dchenblume rechtfertigt mein Verhalten und erkl?rt die Begeisterung meiner Gefühle! Glücklich ein Land, in dessen Gefilden solche Blumen blühen, glückliches Salzburg, dessen Herr zu sein mich mit freudigem Stolz erfüllt! Nun, mein lieber Bürgermeister, ist es nach Eurer Absicht, so la?t uns das Mahl beginnen, doch wünsche ich, da? zu Tisch mir des Festes K?nigin zur Partnerin verbleibe!"

Der Bürgermeister hatte seinen Ohren nicht getraut, diese huldvolle

Ansprache warf alle Rachegedanken über den Haufen, sie mu?te einen

Drachen in ein sanftes Lamm verwandeln; zum mindesten, das fühlte der

Stadtvater deutlich genug, geh?rt auf solche Huld eine h?fliche

Dankesantwort, die aber im Handumdrehen nicht gedrechselt werden kann,

denn Herr Ludwig Alt ist kein Geschwindredner und seine Gedanken

verlangen eine überlegte gem?chliche Aneinanderreihung. ?Hochfürstliche

Gnaden haben geruht!" Das war der erste Anlauf, und nun mu? einen

Augenblick nachgedacht werden, was hinzugefügt werden k?nnte.

Doch der lebhafte Fürst sprach dazwischen: ?Ihr seid also nimmer ungehalten, solche Vers?hnlichkeit ehrt Euch und l??t den milden Sinn des treubesorgten Stadtvaters erkennen! Ich irre nicht, wenn ich Eure Zustimmung voraussetze. Zu Tische denn, und Euch, Bürgermeister, lade ich ein, zu meiner Linken den Platz zu nehmen. Zu meiner Rechten behalte ich die Verk?rperung der Sch?nheit, des Festes K?nigin!"

Eine Fanfare schmetterte in den Saal, in ihr ging der Dank des

Bürgermeisters unter.

?Eure Gemahlin nehmen wir mit!" rief Wolf Dietrich dem Stadtvater zu, dem darob die Ohren sausten.

Die Herablassung des Landesherrn wirkte zündend, die gl?nzende Versammlung akklamierte frohgestimmt dem leutseligen jungen Fürsten, ein Tusch der Musikanten verst?rkte die brausenden Hochrufe, und in lebhafter Beweglichkeit ward zur Tafel geschritten. Eilig hatte es die Bürgermeisterin, welche die Worte des Gebieters glücklich erhascht hatte, an die Seite des Gatten zu gelangen, wozu die überglückliche ihre Arme wohl zu gebrauchen und sich im Menschengewirr Bahn zu schaffen verstand. Die Herren, welche Frau Alt so unsanft zur Seite dr?ngte, lachten auf ob der Beteuerung, da? der Fürst Verlangen trage nach der Stadtmutter, und lie?en die in ihrer Glückseligkeit drollige Frau bereitwillig durch. So gelangte Frau Alt zu ihrem Gatten, der sie nun wohl oder übel zu Tisch geleiten mu?te.

?Der Sch?nheit Majest?t wolle mich beglücken!" flüsterte Wolf Dietrich, als er mit Salome sich dem Ehrenplatz an der Prunktafel n?herte.

?Hochfürstliche Gnaden überschütten mich mit Huld und Gunst in unverdientem Ma?e!" erwiderte l?chelnd Salome und senkte bescheiden die Lider.

?Nicht doch! Wessen Blick geschult ist durch das Leben im ewigen Rom, vermag wahre Sch?nheit zu erkennen, doch versagt die Sprache, sie gebührend zu preisen. Ich huldige der sch?nsten K?nigin, so die Erde tr?gt, und bitte, diese aufrichtige Huldigung in Gnaden aufzunehmen!" Ein leiser Druck des Armes auf jenen Salomes, dann gab Wolf Dietrich seine Dame frei, winkte einem Edelknaben und beorderte diesen zur Bedienung der Dame.

Man setzte sich zur Tafel, und wie angeordnet, kam immer zwischen zwei Herren eine Dame zu sitzen, Frau Alt, deren Wangen vor Aufregung die Farbe der Klatschrose angenommen, hatte gehofft, zur Linken des Fürsten placiert zu werden, aber das litt nun der Gemahl doch nicht, hier wurde die Ausnahme gemacht. Dafür sa? nun die Stadtmutter zwischen den Brüdern Alt, also immer noch in auszeichnendster N?he des Landesherrn und Ehrengastes.

Noch ehe das Mahl begann, hatte sich Wolf Dietrich an seine

Tischgenossin gewendet: ?Irre ich nicht, so war das Geschick mir schon

einmal günstig, und ein guter Stern hat Euch vor kurzer Zeit in meinen

Palazzo geführt?"

Salome erhob das strahlend sch?ne Auge zum Gebieter, dann nickte sie und lispelte: ?Nicht ein Stern ist's gewesen, des Vaters Auftrag führte mich in den Palast. In Geldangelegenheiten geht mein Vater sicher und deshalb mu? zum Einhub die Tochter kommen."

?So waret Ihr es doch, die ich flüchtig nur bei meinem Kastner sah!"

Salome nickte.

?Und Euer Vater, glücklich zu preisen ob solcher Tochter, die allen

Liebreiz in sich verk?rpert, ist er hier in unserem Kreise?"

Leise erwiderte Salome, da? der Vater zur Linken neben der Muhme Platz genommen habe.

?Und die Mutter?"

?Die Teure ist seit langem uns entrissen!"

?Wie schmerzlich mu? es gewesen sein, von solchem Kind zu scheiden! Doch wollen wir in der Gegenwart bleiben!" Wolf Dietrich lehnte sich in seinen Stuhl, dessen Lehne mit dem Raittenauer Wappen und den bisch?flichen Farben geschmückt war, zurück, um den Blick auf Wilhelm Alt frei zu bekommen. Ein kurzer, musternder, prüfender, stechender Blick, der dem Antlitz des Fürsten einen harten Ausdruck gab, dann kehrte wohlwollende Leutseligkeit in das Antlitz zurück, und freundlich, mit gewinnender Güte und Herablassung rief Wolf Dietrich dem Handelsherrn zu: ?Wilhelm Alt, meinen Gru?! Verzeiht, da? so versp?tet ich an Euch mich wende, Euch glücklich preise ob der sch?nen Tochter und den Dank Euch sage dafür, da? es mir verg?nnt, die K?nigin des Festes zur Partnerin zu haben!"

Wilhelm Alt hatte sich schon bei den ersten Worten erhoben und dem Fürsten tiefe Reverenz durch eine Verbeugung erwiesen. Dann aber blieb der Handelsherr aufrecht vor dem Landesherrn stehen, stattlich anzusehen als ein seiner Bedeutung wohlbewu?ter, reicher Patrizier. Ein von Liebe und v?terlichem Stolz sprechender Blick flog zu Salome hinüber, ein zweiter galt dem Fürsten, und dieser Blick schien prüfend, mi?trauisch zu sein, gleichsam, als traue der Vater nicht dem jungen Herrn, der so wenig Hehl aus seiner Bewunderung und Huldigung für die Tochter mache. Der Dank für die Ansprache fiel etwas kühl aus, vollendet h?flich und ehrerbietig, aber fühlbar frostig.

Sofort zeigte des Fürsten Antlitz den Zug unbeugsamer H?rte, den Ausdruck von Hochmut, der Blick ward stechend und h?hnisch; doch weltgewandt meisterte Wolf Dietrich sofort seine Empfindungen und den Gesichtsausdruck, die Falte auf der geistkundenden Stirn gl?ttete sich, l?chelnd grü?te der junge Kirchenfürst unter den Worten: ?Wir danken Euch, Wilhelm Alt und wollen Euch den nun beginnenden Tafelfreuden nicht l?nger entziehen!"

Nach abermaliger tiefer Verbeugung nahm der Kaufherr seinen Platz wieder ein, sofort von der Schw?gerin interpelliert, was denn alles der gn?dige Herr gesprochen. ?Ich h?r' auf einem Ohr nicht gut, das schlechte Wetter ist daran schuld!" fügte die neugierige Bürgermeisterin hinzu. Wilhelm Alt war boshaft genug, um der Schw?gerin zuzuwispern: ?Einen Hopser will er sp?ter mit Euch machen!" Frau Alt schien das Geflüster doch vollkommen verstanden zu haben, denn ganz etikettwidrig platzte sie heraus: ?Nicht m?glich?" Das klang so drollig, da? auch Salome ein Kichern nicht unterdrücken konnte.

Wolf Dietrich hatte sich an den Bürgermeister gewendet, als der Gang: ?Ein gelb Essen ist lind zu essen"[1] serviert worden war, und sprach zum ehrerbietig aufhorchenden Stadtgewaltigen: ?Nun wir die linde Speise hinter uns haben, wollen wir auch linder Stimmung sein und vernehmen, was die Herzen meiner Salzburger beweget."

Das klang wie Musik in den Ohren Ludwig Alts, der es gleich dem Stadtrat bitter genug empfunden hatte, da? der Landesherr kaum nach seinem Regierungsantritt von den Errungenschaften früherer Erzbisch?fe schleunigst Gebrauch machte und eine Revision in den Personen des Stadtrates in Bezug auf ihre Gesinnung vornahm, die eine fühlbare Ver?nderung dieser Instanz hervorrufen mu?te.

Ludwig Alt traute aber der ?linden" Stimmung des jungen Gebieters nicht v?llig, immerhin wollte er den Versuch machen, sie zu Gunsten der Stadt, namentlich zur Wiedererlangung der abgenommenen Kriminalgerichtsbarkeit auszunutzen. Vorsichtig brachte Alt hervor: ?Wenn wir in schuldiger Ehrfurcht eines vom gn?digen Herrn erbitten dürften, so w?re es, da? das Stadthaupt und der Rat gewisserma?en doch auch noch etwas zu sagen h?tten!"

Wolf warf den geistvollen Kopf auf, sein scharfer, geschwinder Sinn hatte im Nu erfa?t, wohinaus der Bürgermeister zielte, doch wollte er die Erkenntnis nicht verraten und fragte daher: ?Wie meint Er das?"

?Wenn Hochfürstliche Gnaden es huldvoll verstatten wollen: Wir haben nur noch die Exekutive, seit Ew. Gnaden neue Hofratsordnung in Kraft getreten ist und auch diese Gerichtsbarkeit dieser erzbisch?flichen Beh?rde übertragen wurde, und -"

In diesem gewichtigen, ja gef?hrlichen Augenblick trat Wilhelm Alt, der in h?chster Spannung dem bedeutungsvollen Gespr?ch zugeh?rt, dem Bruder warnend auf den Fu?.

?Und?" fragte Wolf Dietrich mit lauernder Miene.

Der Bürgermeister konnte die brüderliche Warnung nicht recht deuten und im Banne der fürstlichen Frage rutschte ihm heraus: ?Und diese Exekutive erniedrigt uns zum bedeutungslosen Polizeibüttel, der sonst nichts ist und nichts zu sagen hat!"

Wolf Dietrichs Wangen f?rbten sich rot, Wilhelm Alt, der Weitblickende, erbla?te. Ahnunglos plauderten und a?en die Festg?ste, nur in der n?chsten Umgebung des Fürsten herrschte beklemmende Ruhe.

Wieder meisterte der Landesherr sein hei?es Blut, kühl, fast h?hnisch sprach er: ?Deut' ich das vernommene Wort recht, und es ist nicht schwer zu deuten, so spukt in euren K?pfen der Geist der Rebellion!"

Beide Alts zuckten zusammen. Da griff Salome helfend ein: ?Verstattet gn?digster Herr und Gebieter ein vermittelnd Wort!"

überrascht rief Wolf Dietrich: ?wie? Majest?t Sch?nheit will sich ins

Gebiet der Politik begeben?"

?Verzeihung, gn?digster Landesvater! Ich fühle wohl den herben Tadel in

den Worten Ew. Hochfürstlichen Gnaden und gestehe willig dessen

Berechtigung zu. Ein Weib, ein M?dchen nun gar soll schweigen, so im

Kreise bedeutender M?nner das Wohl des Landes beraten und erwogen wird.

Ein Weib -"

?Ein fürstlich Weib!" murmelte Wolf Dietrich und ein bewundernder Blick schien die sch?ne Gestalt Salomes umfassen zu wollen.

Klug nützte Salome den Augenblick wie die Schmeichelei: ?Ein Weib versteht nichts von den wichtig politischen Dingen, doch kann weibliches Empfinden oft besser erfassen, den Kern einer Sache erkennen, als ein kluger Manneskopf, wasma?en das Weib meist nicht von Nebendingen beeinflu?t ist."

?Ei ei, der Diplomat im weiten Rock!" lachte der Fürst amüsiert.

Tapfer behauptete Salome: ?Ew. Hochfürstliche Gnaden werden mir zugeben, da? ich in der eben vernommenen Sache ganz unzweifelhaft nicht beeinflu?t bin, denn mit Kriminal- und peinlichen Prozessen habe ich in meiner Lebtage nichts zu schaffen gehabt und hoffe, davon verschont zu bleiben, bis des Alters Schnee auf meinem Haupte lastet und darüber hinaus."

?O, carissima mia! Wie kann das lieblichste Gesch?pf der Erde die Schrecken des Alters heraufbeschw?ren, st?ren den harmonisch sch?nen Eindruck, der mein Herz entzückt! Schnee auf Eurem goldigen Haupte, holde G?ttin meiner Seele! Bannt mir solches Denken! Hinweg damit! Ich kann dieses Wortbild nicht fassen, ich hasse es!"

?Und dennoch wird jene Zeit auch über mich kommen! Doch Euer Wunsch, gn?digster Herr, ist mir Befehl, heut und so lang ich lebe -"

?H?rt ihr es!" wandte sich Wolf Dietrich zu den beiden Alten, ?so spricht eine Unterthanin Salzburgs, weise und ergeben in den fürstlichen Willen, und w?ren der Unterthanen alle wie Sch?nsalome, es w?re eine Freud' und Lust, Herr zu sein! - Doch sprecht aus, was Eure Brust bewegen mag!"

?Mein Ohm," erwiderte Salome, ?der allverehrte Bürgermeister hat es ehrlich, wenn auch vielleicht zu hastig, ausgesprochen, da? zu viel genommen ward von den Rechten Salzburgs, da? der Rat erniedrigt sei zu bedeutungsloser Exekutive. Wahr ist dies Wort und Eure Partnerin ist nicht viel anderes als des Stadtbüttels Nichte, nicht wert an der Seite des gn?digsten Fürsten und Landesherrn zu sitzen!"

Galant erwiderte Wolf Dietrich: ?Sch?nheit adelt und erhebt!"

?Mit nichten, gn?digster Herr! Ein Fürst wird niemals ein Weib erküren, das nahezu unfrei ist, von niederer Abkunft, mag das Weib dabei engelsch?n sein!"

?Ein Anwalt, wie ich ihn meiner Sache nicht besser wünschen kann!" schmeichelte der Fürst, und fügte bei: ?Doch Eure Pr?misse stimmt nicht: Die Tochter eines Wilhelm Alt, des reichen Handelsherrn, ist nicht von niederer Abkunft, au contrair, der edelsten eine in meinem Lande, nur nicht von Adel! - Ist irrig die Pr?misse, kann die Folgerung nicht richtig sein! Was aber wünscht die verk?rperte Anmut in so bemeldter Sache?"

?Gebt, gn?digster Herr, der Stadt die alten Rechte wieder, la?t ihr ein gewisses Ma? der Freiheit, die Selbstbestimmung, und ich bin dessen sicher: Je lockerer der Zügel, desto freudiger gehorcht das Ro? dem leisesten Befehl des Herrn!"

Ein langer, liebevoller Blick des jungen Landesherrn lag auf Salome, bis

Wolf Dietrich leise, fast mehr für sich zu sprechen anhub:

?Verführerische Worte, sü?er Klingklang! Geb' ich dem Rat, wird mir die

Landschaft st?rrig! Und schlankweg die Hofratsordnung aufheben, dieses

mühevolle Werk meiner Juristen, impossibile!"

Salome wagte einen legten Versuch: ?Verzeiht mir, hoher Herr! Die Landschaft war Euch sicher zu Willen und hat jeder Steuerma?nahme zugestimmt!"

?Ja doch! L?stig ist genug die hergebrachte Pflicht, da? der Fürst die Landschaft angehen mu? bei jeder neuen Steuerausschreibung! Ihr, sch?ne Salome, wollt als besonderes Verdienst betonen die allzeit gefüge Zustimmung! Verzeiht mir das harte Wort: Hier reicht Frauensinn nicht aus! Wi?t Ihr, warum die St?nde so steuerfreudig gewesen und immer ohne Str?uben zugestimmt haben? Ich will Euch dieses R?tsel l?sen: Hoffnung war es, weiter nichts, Berechnung auf des Fürsten Gutmütigkeit, die Hoffnung, durch sothane Nachgiebigkeit und Willigkeit etwas von den früheren Rechten zurückzuerlangen!"

?Und t?uschte sothane Hoffnung?" fragte Salome unter Augenaufschlag und richtete den Blick direkt in des Fürsten Auge.

Jetzt Aug' in Aug' mit dem bezaubernd sch?nen M?dchen, vermochte Wolf

Dietrich kein schroffes, wahres ?Ja" zu sagen, er griff zu Worten der

Ausflucht, indem er eine sp?tere Reformierung der Angelegenheit

zusicherte.

Ein Schatten des Unmutes huschte über das Antlitz Salomes, und Wolf sah dieses W?lkchen sofort. ?Wenn es dem Rat der Stadt und meiner holden Tischgenossin einen Trost gew?hrt zu wissen, da? Privilegien anderer Klassen noch reformf?hig erscheinen, so will ich jetzund sagen: Die bisherige Steuerfreiheit des Adels und der Geistlichkeit erscheint mir ungerecht. Mu? der Bürger und Bauer zahlen, soll es Adel und Klerus auch! Und damit dixi!"

Beide Alts wu?ten in ihrer grenzenlosen überraschung nichts anderes zu thun, als den bedeutungsvollen Satz zu wiederholen: ?Mu? der Bürger und Bauer zahlen, sollen es Adel und Klerus auch!"

Die Frau Bürgermeisterin hatte von dem Gemurmel nur das Wort ?zahlen" verstanden, und dieses Wort übte auch auf die würdige Frau die gleiche Wirkung aus wie auf alle Salzburger Patrizier, denen die Aufh?ufung von bisch?flichen Lasten, das st?ndige Anziehen der Steuerschraube ein Greuel war. Daher fing Frau Alt auch gleich zu jammern an zum Entsetzen ihres Gemahls. Wilhelm Alt suchte die Schw?gerin zu beruhigen durch den Hinweis, da? es diesmal dem Adel und der Geistlichkeit gelte und das sei nur in der Ordnung.

?O, die haben ja selber nichts, die Geistlichen!" meinte Frau Alt.

?Schweigt doch, Schw?gerin, es ist nicht der arme Landklerus gemeint, sondern die reichen Kl?ster und Stiftsherren, die sollen nur auch zahlen, der Fürst hat da ganz recht!"

Das seine Ohr Wolf Dietrichs hatte diese halblaute ?u?erung vernommen, und die Zustimmung des angesehenen Handelsherrn versetzte den jungen Fürsten in rosige Laune. ?Freut mich, lieber Alt! Ihr sehet, wir finden den modus viviendi; der Anfang zu einer Verst?ndigung zwischen Fürst und Volk ist gemacht, auf diesem Wege wollen wir bleiben und fortschreiten." Zu Salome gewendet sprach Wolf Dietrich: ?Will die Wolke nicht weichen von der reinen Stirne? Ich denke, wir sind in Eintracht! Kann ich der Majest?t Sch?nheit einen Dienst erweisen, sprecht, G?ttin, Ihr seht den Fürsten dienstwillig wie einen Sklaven, haschend nach einem Sonnenstrahl Eurer Gnade!"

Salome l?chelte in bezaubernder Anmut, ihre Kirschenlippen kr?uselten sich zu leisem, gutmütigem Spott: ?Das zu glauben, hoher Herr, f?llt mir schwer! Sklavisch ist nichts an Ew. Hochfürstlichen Gnaden, hoch der Sinn, hoch der Geist wie hoch die Würde! Ich m?chte meinen gn?digen Landesherrn auch niemals in einer Sklavenlage wissen!"

?Ihr versteht es wohl, die Worte fein zu setzen; ein Notarius k?nnte von Euch lernen! Doch sprach auch ich bei allem Feuer des Empfindens mit Bedacht und tiefer Sinn liegt in meinen Worten, da ich sage: Sklave m?cht' ich sein, so Eure Huld würde mich beglücken!"

Ein Kichern folgte dieser galanten Beteuerung, dann flüsterte Salome:

?So mein gn?diger Herr heute seltsam gebfreudig ist, will die

Gelegenheit beim Schopf ich fassen und bitte ich Ew. Hochfürstliche

Gnaden um die Verlaubnis, ein Gl?schen rheinischen Weines trinken zu

dürfen auf das Wohl unseres gn?digen Herrn!"

?Das wollen wir freudig thun, sch?ne G?ttin; doch nicht harter Deutschwein soll Eure Rosenlippen netzen, wir nehmen edlen Terranto, der unter Vicenzas Himmel gedeiht!" sprach Wolf Dietrich und wandte sich zum Bürgermeister mit der Frage, ob dieser edle italienische Wein zu haben sei.

?Zum hohen Glück, Ew. Hochfürstliche Gnaden an dieser Tafel zu wissen, geh?rt - Thalhammers feinerprobte Zunge!" schnatterte Ludwig Alt, dem die unvermutete Frage die Gedanken durcheinander brachte.

?Wie? Was meint Er?" rief erstaunt der Fürst.

?Gn?diger Herr wollen mir erlauben, da? ich den dunklen Sinn der Worte meines Ohms erhelle!" warf Salome schnell ein, ?der gute Ohm wollte sagen, da? nur Rat Thalhammer wissen k?nne, ob für diese Tafel gewünschter Edelwein vorhanden sei!"

Wolf Dietrich lachte belustigt ob der Schlagfertigkeit seiner sch?nen Tischgenossin: ?Beim Zeus! Ich berufe Euch noch in meinen Hofrat, wir k?nnen solche Redekunst fürwahr gebrauchen!"

?Ob die würdigen Herren da nicht wirren Kopfes werden würden?" spottete

Salome.

?Ihr m?get recht haben; für die alten Federfuchser sind die Folianten gut, doch nicht die Blüte weiblicher Sch?nheit und Anmut! Die Jugend will ihr Recht, sie darf die Hand danach erheben, nicht das mürrische Alter!"

Der Bürgermeister hatte unterdessen Thalhammer, der am unteren Ende der Tafel sa?, citiert, und alsbald konnte der vom Fürsten gewünschte Terranto-Wein kredenzt werden. Zwei Becher wurden gefüllt, und Wolf Dietrich stie? mit Salome an: ?Auf Euer Wohl, K?nigin! Jeder Tropfen dieses edlen Weines aus dem sonnigen Süden, der Heimat von Kunst, Liebe und Wein, verl?ngere Euer Leben um viele Jahre, jeder Tropfen bedeute eine Fülle von Glück hienieden! Es lebe die G?ttin Sch?nheit, es lebe Salzburgs holdeste M?dchenblume!"

Salome hatte den Blick gesenkt, tiefe R?te bedeckte ihre Wangen, der

Becher zitterte in ihrer schmalen Hand.

?Will meine K?nigin mir nicht einen Blick aus den sü?en Augen g?nnen?" flüsterte Wolf Dietrich.

Da hob Salome das Auge, die Blicke trafen sich, beklommen, z?gernd sprach sie: ?Zu viel des Lobes und der Gnade f?llt auf mich! Beth?rend wirken die Worte! Zu gro? ist die Kluft, die uns trennt! Ihr seid der Fürst und hohe Herr, ich eines schlichten Bürgers Tochter! La?t mich im Erdreich, in dem nur ich gedeihe! -"

?Ist das Euer Trinkspruch, Salome?" fragte etwas gedehnt der Fürst.

?Mein gn?diger Herr und Gebieter, ich trinke auf das Wohl Ew.

Hochfürstlichen Gnaden und -"

?Und?"

?Und bitte, es m?ge mir Eure Gnade und Huld erhalten bleiben!"

?Ja, darauf wollen wir trinken! Euch meine Huld immerdar, mir Eure Gnade und -"

?Und?"

?Und Liebe!" flüsterte der junge, feurige Landesherr und sandte einen flammenden Blick zu Salome, die j?h err?tete und verstummte.

Verschiedene G?nge des üppigen Mahles waren inzwischen serviert worden, doch jedesmal hatte Wolf Dietrich durch eine Handbewegung angedeutet, da? er nicht im Gespr?ch gest?rt sein wolle. Diesem Beispiel war auch Salome gefolgt, und Ludwig Alt hielt es für seine Pflicht, zu jeglichem Augenblick dem Fürsten zur Verfügung zu sein, daher der Bürgermeister auf das Essen verzichtete. Nach dem Speisezettel, den Ludwig Alt bei sich hatte, sollte nun k?stlicher Fasanenbraten an die Reihe kommen, und zwar mit einer Neuerung im Gedeck für diese Zeit. Bisher war es üblich, des ?fteren Handwasser mit Handtüchern herumreichen zu lassen, damit die Tafelnden sich die H?nde reinigen k?nnten. Auch heute war das der Fall gewesen. Nun zum Fasanenbraten des heutigen Mahles, zur Erh?hung des Festes war, ausgeheckt von beiden Alts, eine Neuerung geplant, die eben jetzt der Tafelrunde vorgeführt werden sollte, und diese Neuerung bestand in der erstmaligen offiziellen Verabreichung von Gabeln.[2] Ludwig Alt war nicht wenig neugierig auf die Wirkung dieser Neuerung und hatte angeordnet, da? zum ?Fasanen-Gang" dieser Gebrauchsgegenstand solle vorgelegt werden. Natürlich interessierte es den Bürgermeister am meisten zu erfahren, was der Fürst zu sothaner Neuerung sagen werde.

Wolf Dietrich war aber schon wieder in ein Gespr?ch mit Salome vertieft und hatte weder Aug' noch Ohr für die übrige Gesellschaft.

L?ngeres Zaudern würde eine auff?llige Unterbrechung des Mahles herbeiführen, der Bürgermeister mu?te daher das Zeichen geben, und sogleich erschienen die Aufw?rter, deren jeder eine in der Form noch ziemlich ungeschlachte, zweizinkige Gabel zur Rechten jedes Tafelgastes legte. Von der schw?tzenden Menge ward das neue Instrument vielfach nicht beachtet; einigen G?sten aber fiel es doch sofort auf, sie ergriffen die Gabeln, besahen sie, fuhren damit in die Luft, und als von einigen vielgereisten ?lteren Bürgern der Gebrauch dieser neuen Tischinstrumente erkl?rt wurde, konnte es an praktischen Erprobungen nicht fehlen. Unter gro?er Lebhaftigkeit ward aufgespie?t, was den überraschten G?sten erreichbar war und die Fasanen kamen hierzu just recht. V?llig unbeachtet blieb die Neuerung am Pr?sidium der Tafel; den Altschen Familien war sie bekannt, für das heutige Mahl eigens bestimmt, und der Landesvater widmete sich ausschlie?lich seiner Tischnachbarin.

Die Edelknaben kamen mit den Fasanen auf silbernen Platten, und unwillig wollte Wolf Dietrich abwinken, da bat Salome, es m?ge der gn?dige Herr doch auf die Atzung nicht ganz vergessen, wasma?en diese Leib und Seele zusammenhalte. So lie? sich denn der fürstliche Ehrengast von den Fasanen vorlegen, ebenso Salome, und beide bedienten sich der neumodischen Gabeln ohne das geringste Anzeichen einer überraschung.

Von Salome wunderte das den Bürgermeister ja nicht, aber die Vertrautheit des Fürsten mit dem neuen Instrument verblüffte und entt?uschte ihn derart, da? Ludwig Alt dem Bruder zuflüsterte: ?Der kennt alles!"

Und Wilhelm raunte zurück: ?Stimmt! Der wird uns in allem über!"

Wolf Dietrich hatte mit Behagen von der leckeren Speise genossen und dann einen Blick über die Tafel geworfen, an der es lebhaft zuging, denn der in gro?en Mengen genossene schwere Südwein aus Welschland übte auf M?nnlein und Weiblein seine Wirkung aus. ?Meine Salzburger lieben den süffigen Wein!" meinte der Fürst zum Bürgermeister, der sogleich beteuerte, da? das gew?hnliche Volk sich wohl an das Hopfenbier halte, denn sü?e Weine seien von wegen der Teuerung und dem kostspieligen Transport nur den bemittelten St?nden erreichbar.

?Wird denn viel solchen Weines eingeführt ins Erzstift?"

?Ew. Hochfürstliche Gnaden unterth?nigst aufzuwarten, ja; man bringet auf Wasser und Land überflüssig aus allen Landen herzu, als n?mlich vom Rhein, Neckher (Nekar), aus Elsa?, Franken, auch Osterwein (aus ?sterreich), Marchwein (aus Steiermark), aus Hungern (Ungarn), viel aus Welschland, so man sie hei?et Terrant, Raifel, Muscatell, Malvasier von Napoli, Romanier, so in Griechenland wachset, Rosatzer auch und Farn?tscher, Veltliner, und aus dem Etschland Traminer und H?pfwein und dergleichen noch manche, die des Thalhammer Zunge besser kennet als Dero unterth?niger Knecht!"

?Ich staune! Wu?te wahrlich nicht, da? meine Salzburger so gern und viel der schweren und teuren Weine trinken!"

Voreilig sprach Ludwig Alt: ?Sie trinken nicht, o Herr, sie saufen ihn! Ein Laster ist's, ein allgemeines in ganz Deutschland, und es hilft so viel wie nichts, mag man dagegen wettern oder sich selber eines guten Wandels beflei?igen. Der Saufteufel hat sie alle am Kragen, M?nnerleut und Weibes, ein Halbes k?nnen Kinder selbst schon zutrinken, die Eltern lehren's wohl den Kleinen! Ein Kreuz ist's und ein Elend mit dem Weinteufel!"

?Und der Bürgermeister wei? sich nicht Rat, sothanem Laster wirksam zu steuern?" fragte der Landesherr.

?Dero Gnaden unterth?nigst aufzuwarten, ich nicht, und besseren Leuten kann ich die Rumorknechte nicht auf den Leib hetzen!"

?So! Nun es erscheinet mir günstig, da? der Landesherr sich Rats wei?, ich wei? ein Mittel, doch ist es nicht an der Zeit, es heute schon zu publizieren. Ich will es mir merken, und dem Saufteufel rücke ich an den Leib, ich zwing' ihn, darauf k?nnt Ihr Euch verlassen!"

?Das kann, o hoher Herr, der Menschheit nur zum Segen gereichen!" sprach Salome, der die überm??ige Trinklust ein Greuel war, und die es peinlich berührte zu sehen, wie namentlich die jungen Bürgers?hne ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Landesherrn dem Wein in gro?en Mengen zusprachen.

?Eure Zustimmung erquickt meinen Sinn, wie Eure Anmut mein Herz erg?tzt!

Ich wünsche mir nichts Besseres, als mit Euch, teure Salome, auch die

Ma?nahmen der Regierung beraten zu k?nnen. Seid Ihr dazu gewillt?"

Salome fühlte den tieferen, verhüllten Sinn dieser Frage, und hei?e R?te scho? in des klugen M?dchens Wangen, ein Zittern lief durch ihren K?rper, bebenden Tones erwiderte sie: ?Wie sollt' ich je in solche Lage kommen? Gebannt in die engen Schranken der H?uslichkeit, gezwungen nach Zeit und Art, zu stiller Arbeit, Sinn und Zunge gefesselt! Doch was will ich sagen, da Fürstent?chter es kaum anders haben und verdorren schier in dumpfer Kemenate!"

?So sehnt Salome sich hinaus in die Freiheit glanzerfüllter Welt?"

?Nicht das ist meines Sinnes Streben, gn?digster Herr! Ich kenne die gezogenen Grenzen und beug' mich willig diesem Gebot. Was ich ersehne hei?, w?r' ein Erfassen vieler Dinge, die man kaum dem Namen nach uns einst gelehrt! Denkt nur, hoher Gebieter, wie karg die Kost gewesen, die uns M?dchen man gereicht! Ein winzig Kritzeln, etwas Lesen, des Mehreren von heiliger Religion, und in der Erdbeschreibung hat es vollauf genügt zu wissen, da? fern im Süden liegt das heilige, ewige Rom."

?Sothanes will auch mich nicht viel bedünken, doch mag's für deutsche Fürstent?chter genügen. Ihr aber, Sch?n-Salome, wollt mit Gram herabdrücken Euren edlen Geistes feine Bildung! So manch' Gespr?ch, die feingesetzten Worte, sie verraten Euren hellen Geistes hohen Flug, die Klage über geringen Unterricht in jungen Jahren stimmt nicht zur staunenswerten Kenntnis vieler Dinge. Ich nannt' Euch doch vorhin schon einen Diplomaten, wollt' stecken Euch in meiner Juristen Schar, und warum? Weil Eures Verstandes Sch?rfe, ein klug Erfassen dessen, was kaum der Zunge Laut noch ausgesprochen, schon beth?tigt ist vom aufgeweckten Kopf. Ihr dürstet wohl nach Erweiterung von Gedanken, denkt an hohe Ziele, die in M?dchenkemenaten nicht wollen Wurzel fassen? Gern beut ich die Hand, Euch zu verhelfen zum Flug in des Geistes h?here Regionen! Mein Fürstenwort geb' ich zum Pfand!"

Das Mahl war zu Ende und die Zeit sehr vorgeschritten, der Tanz sollte beginnen. Die h?fische Etikette verlangte vom Fürsten und Erzbischof, sich nun ins Palais zurückzuziehen, so gern Wolf Dietrich auch mit Salome noch gesprochen. ?Ich sehe Euch bald wieder!" flüsterte er dem sch?nen Fr?ulein zu, und ein hei?es Verlangen flog durch seinen geschmeidigen K?rper. Noch ein lodernder Blick, dann erhob sich der Fürst, um den nun die H?flinge sich scharten.

Leutselig wandte sich der Fürst nun an den Bürgermeister und sprach in formvollendeter Rede, die dem Ruf Wolf Dietrichs als vorzüglicher Kanzelredner voll entsprach, seinen fürstlichen Dank aus für das Fest und die gute Tafel. Geschmeichelt akklamierten die Patrizier den Landesherrn mit lebhaften Hochrufen, unter welchen Wolf Dietrich sich von beiden Alts, dann von Salome verabschiedete. Freundlich nickend nach allen Seiten schritt der junge Fürst durch den Saal, Trompetenschall und Trommelwirbel ert?nte, bis die Ratsherren vom Geleite zurückkehrten.

Die Jugend bekam ihr Recht, die Ratsherren zogen sich in eine Stube zurück, um sich vom Bürgermeister N?heres über die fürstlichen ?u?erungen erz?hlen zu lassen, und die Frauen hielten ein Plauderstündchen ab, das v?llig Salome und den ihr vom jungen Fürsten gewordenen, geradezu auff?lligen Huldigungen gewidmet war. Salome selbst fühlte sich ersch?pft und müde; jetzt sich von Junkern und Bürgers?hnen zum Tanz führen zu lassen, war dem Fr?ulein unm?glich. Zu viele Gedanken kreisten durch den Kopf, es schwindelte Salome, und unabweisbar ward das Verlangen, allein zu sein in traulich stiller Kemenate. So trat Salome just im Augenblick, da Wilhelm Alt sich zu den Ratsherren in die Nebenstube begeben wollte, zum Vater und bat ihn um Geleit nach Hause.

Ein durchdringender Blick schien in des M?dchens Seele lesen zu wollen, nur widerwillig gab Alt seine Zustimmung mit dem Beifügen, da? die Muhme Salome nach Hause bringen solle; zugleich wurde ein Stadtknecht, deren einige im Erdgescho? des Trinkhauses auf Verwendung harrten, beauftragt, den Damen die Leuchte vorauszutragen.

Unauff?llig entfernten sich Muhme und Nichte, denen auf der verschneiten

Gasse der Knecht das L?mpchen vorantrug. Die frische Luft der

Winternacht erquickte Salome und gierig atmeten die Lungen den reinen

Odem ein. Frau Alt kam au?er Atem durch das hastige Fragen, was der

Fürst denn alles zu erz?hlen wu?te, und durch die begeisterten Lobreden

auf die Leutseligkeit desselben. Die Muhme merkte dabei gar nicht, da?

Salome sich schweigend verhielt, und da? der Knecht um eine halbe

Gassenl?nge vorausgegangen ist. J?h verstummte die geschw?tzige

Bürgermeisterin, als hinter ihrem Rücken eine M?nnerstimme ert?nte:

?Die Schlanke ist's! Schnell!"

Blitzschnell ward ein Tuch um den Kopf der Muhme geworfen, Salome ward von vermummten M?nnern umringt, emporgehoben und in eine inzwischen herangebrachte S?nfte gesteckt, die in raschem Tempo dem Domplatz zu weggetragen wurde. Das alles vollzog sich schnell und lautlos; nur die entsetzte Bürgermeisterin kreischte, doch erstickte das dicke Tuch ihre Jammert?ne. Bis Frau Alt dieses Tuch vom Kopf gezogen, war die Stelle menschenleer, nachtschwarz alles ringsum, die Gasse nur vom Schneelicht schwach beleuchtet. Ist es Spuk gewesen? Haben b?se Geister das M?dchen von ihrer Seite gerissen oder ist Salome in den Erdboden versunken?

Der Knecht kam mi?mutig ob solcher Verz?gerung zurück und machte aus

seiner Stimmung kein Hehl. Dabei merkte er aber am Gezeter der

Bürgermeisterin, da? sich etwas Absonderliches ereignet haben müsse.

?Ist 'leicht etwas passiert?" fragte er.

?Mord und Totschlag! Mich haben sie ermordet und Salome ist verschwunden! Du bist mir ein wackerer Beschützer in Nacht und Not!" kreischte verzweifelnd Frau Alt.

Fassungslos starrte der Knecht die Bürgermeisterin an und leuchtete ihr mit dem L?mpchen ins runzelige Gesicht. Dann drehte er sich ringsum, als wollte er im Schnee das verschwundene Fr?ulein suchen.

?Bring' nur mich schnell nach Hause, und dann lauf' zum Bürgermeister, vermeld' ihm den Raub unserer Nichte, es sollen die Stadtknechte, die Büttel fahnden! La?t Sturm l?uten! Huhu, dort kommt wieder so ein schwarzer Mordbube, der Beelzebub selber!"

Erschrocken griff der Knecht die Bürgermeisterin beim Arm und ri? sie mit sich im Sturmlauf zum Trinkhaus, das durch die Hilferufe beider im Nu alarmiert war. Die Kunde von einer Entführung Salomes wirkte auf die Festgesellschaft geradezu l?hmend, sie ernüchterte die M?nner und verursachte Weibern Kr?mpfe. Ludwig Alt vermochte das Ereignis nicht zu fassen und rief immer wieder: ?Nicht m?glich! Ein M?dchenraub in unserer stillen, ehrsamen Stadt von der Gasse weg! Es kann nicht wahr sein!"

Vater Wilhelm Alt schwur, die ihm angethane Schmach r?chen zu wollen, wer immer der M?dchenr?uber sein m?ge.

S?mtliche Rumorknechte und Büttel wurden aufgeboten, die nun nach Hause verlangenden Festg?ste auf dem Heimweg schützend zu begleiten. Doch nichts von R?ubern, nicht ein Schatten zeigte sich in den wie ausgestorben scheinenden, schneeerfüllten, vom Mondlicht schwach erleuchteten Gassen Salzburgs.

Beide Alts aber, von handfesten Knechten begleitet, visitierten unter Anführung des Rottmeisters die Thore der festgeschlossenen Stadt und hielten bei den Türmern Umfrage, ob jemand zu Ro?, Wagen oder mit einer S?nfte Ausla? begehrt und erhalten habe. Dies war nach bestimmten Erkl?rungen der Türmer nicht der Fall, ratlos kehrten beide Alts in ihre Behausungen zurück. In Wilhelm Alt, dem Vater Salomes, aber stieg ein furchtbarer Verdacht auf, der ihm die Nachtruhe raubte.

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