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Der Mann im Nebel

Der Mann im Nebel

Gustav Falke

5.0
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Gustav Falke machte ab 1868 in Hamburg eine Lehre als Buchhändler. Lieber wäre ihm ein Studium der Musik und Literatur gewesen, diesen Wunsch schlug ihm sein Stiefvater jedoch aus. Ab 1903 konnte Falke sich ganz der Schriftstellerei widmen, da ihm die Stadt fortan ein Gehalt auszahlte, um seine schriftstellerischen Leistungen zu unterstützen. Falke lebte von 1853 bis 1916.

Chapter 1 No.1

Liebster Doktor!

Wie vermisse ich Sie, Sie Ausreisser. Nach wie vor führt mich mein Berufsweg zweimal in der Woche an Ihrem alten Heim vorüber, und ich werfe betrübte Blicke nach dem Eckfenster hinauf. Wie sch?n war's da oben: ich auf Ihrem breiten etwas eingesessenen Sofa, Sie mir gegenüber auf dem Stuhl, zwischen uns auf dem bücherbeladenen Tisch eine Tasse Kaffee, ein Glas Bier oder ein Aquavit. Und dann ging's los, über Literatur, Kunst und tausend Sachen.

Und Ihre alte Wirtin, die Frau Obersteuerkontrolleurswitwe, der man diesen imponierenden Titel nicht ansah, mit ihrem roten Gesicht, ihrer etwas waschfrauenm?ssigen Hausuniform und ihrer hastigen, stossenden Sprechweise.

Und das einzige Lik?rglas, das kleine blaue Henkelglas, worin sie einer ganzen Korona Aquavit kredenzte, von Mund zu Mund:

"Is nich'n hübsches Glas? Is aus Travemünde. Hab ich selbst mitgebracht.

Hübsches Glas. Ist es nich? Aus Travemünde. Hab'n Schwester da, wissen

Sie. Ja, 'n Schwester."

Sie l?sst bestens grüssen. Sie hat jetzt ihre beiden Zimmer an einen

Z?llner vermietet, einen jungen "soliden" Menschen. Sie wissen, die Frau

Kontrolleur gibt viel auf das Solide.

Na, in Punkto Solidit?t. Unsolide waren wir nicht. Aber der Z?llner wird uns über sein.

Ich vegetiere nun schon eine ganze Zeit lang so hin. Kein Vers, keine Zeile. Lyrisch alles tot. Was Sie über meinen letzten Roman schrieben, hat mich sehr erfreut. Ja, es steckt viel Beobachtung darin. Aber es ist doch nichts mit diesem nüchternen Realismus. Ich m?chte nun endlich mal schreiben, was Sie meinen Pan-Roman nennen.

Mich auch mal lyrisch ausgeben. Stimmung. Psychologie. Alles m?gliche. Solche Dreiecksnatur, Sie brauchten den Ausdruck einmal, so ein Portr?t von Ihnen, Liebwertester, ein Individuum, das sich zwischen den drei Punkten Weib, Kunst und Natur aufreibt, seine Ringk?mpfe mit sich aufführt. Ihre gef?hrlichen Anlagen potenziert, so dass ein Ungeheuer daraus wird.

Aber geben Sie mir einen freundschaftlichen Stoss, dass ich kopfüber in die Tinte schiesse, sonst wird's doch wieder nichts damit, und es bleibt alles beim guten-Willen darf ich's gar nicht mal nennen, denn wie gesagt, es sind tote Tage bei mir, Nebeldruck, Müdigkeit, Stumpfsinn, wie immer, wenn ich eine Arbeit hinter mir habe und eine neue sich erst heimlich vorbereitet wie das Saatkorn unter der Wintererde.

Pan, ja Pan! Sie sitzen nun mitten drin, haben alles, was ich ersehne, liegen auf dem Rücken und h?ren die Mittagsmusik des bocksbeinigen Gottes, w?hrend ich hier Staub schlucke, Federn kaue und Kindergeschrei anh?re.

Hier etwas, was ich aus dem Papierkorb für Sie wieder ausgrub, weil es gerade hierherpasst. Etwas B?cklin-Nietzsche mit einem Stich ins Scheerbartsche. Nichts Urgeborenes, also der Vernichtung geh?rig.

Herzlichst

Ihr Gerd Gerdsen.

* * * * *

Tanz.

Pan bl?st. Lass uns tanzen, du und ich. Auf der Sommerwiese, in der

Morgensonne lass uns tanzen, wo die weichen Winde sich deines wehenden

Blondhaares freuen werden.

Komm auf die Wiese!

Blumen werden sich unter unsere Füsse dr?ngen und aufgescheuchte Schmetterlinge unsern Tanz umtanzen, weisse und gelbe Schmetterlinge, leuchtend in der Helligkeit des wachsenden Lichtes. Pan lockt.

Wir wollen tanzen zu diesen T?nen. Und die Wiese tanzt, und der Wald tanzt, die schwarzen Fichten mit dem roten Morgenkleid aus Sonne und die br?utlichen Birken mit den jungfr?ulichen Gew?ndern aus Silberseide.

Und die weissen L?mmer auf der blauen Himmelswiese werden hüpfen, umeinander hüpfen, leichtwolliges Sommervolk, zu der Fl?te des Hirten.

Und die Sonne wird tanzen, die lachende Sonne, dass ihre Strahlen auseinander wirbeln, uns umwirbeln, ein flimmernder, blitzender, glitzernder Schleier, in dem wir uns im Kreise drehen, du und ich in unserer nackten Sch?nheit und in unserer nackten Freude.

Komm, komm! Pan bl?st.

Die Bocksfüsse übereinandergeschlagen, hockt er im Fichtenschatten,

Zottelbart, Waldschreck den Furchtsamen.

Wir aber tanzen vor ihm, nackt, über Blumen, zwei weisse Schmetterlinge, trunken in Lust, trunken in nackter Lust.

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